Donnerstag, 3. Februar 2005

Noch einmal Anna

Mittlerweile ist es mir gelungen eine grobe Personenbeschreibung der myseriösen Anna zu erhalten und ein wenig Licht in die verworrene Geschichte zu bringen.

Im November 2004 wurde im Raum Cairns (Nord Queensland) eine offenbar verwirrte Frau von der Polizei aufgegriffen. Sie hatte keine Papiere bei sich und war nicht in der Lage, mit den Behörden zu kooperieren. Sie gab an sei deutsche Staatsangehörige und nannte zwei Namen. Anna Brodermeier aus München und Anna Schmidt aus Dresden. Anna ist um die dreißig Jahre alt, ca. 160 cm groß, hat einen kräftigen Körperbau und macht einen sportlichen Eindruck. Sie hat mittellanges blondes Haar, spricht akzentfreies Hochdeutsch und außerdem perfektes australisches Englisch. Es ist fraglich, ob eine Personenbeschreibung mit der Vermisstendatei der australischen Polizei abgeglichen wurde.


Ein Vertreter des deutschen Konsulats in Brisbane besuchte Anna im Polizeigewahrsam, konnte aber ihre Identität nicht klären. Anna wurde keines Vergehens beschuldigt, jedoch der Einwanderungsbehörde übergeben, die sie als illegale Immigrantin ohne gültiges Visa einstufte und am 29. November 2004 in das südaustralische Internierungslager Baxter überführte.

Pamela Curr vom „Asylum Seeker Resource Centre“ in Melbourne schildert, dass die mental stark angeschlagene Frau seither 18 Stunden am Tag in Isolierungshaft sei und nur sechs Stunden am Tag Freigang hätte. „Uns liegen Berichte vor, dass Anna psychotische Symptome zeigt. So spricht sie zum Beispiel die meiste Zeit mit sich selbst, kreischt und brüllt vor Angst über längere Zeiträume, vor allem, wenn sie in ihrer Zelle ist. Sie vermeidet Augenkontakt und kommuniziert mit niemanden, obwohl sie in der Lage ist, englisch zu sprechen“, so Pamela Curr.


Ein Vertreter des für Baxter zuständigen deutschen Konsulats in Melbourne äußerte, dass man zwar starkes Mitgefühl mit Anna habe und helfen wolle, sich jedoch in einer völkerrechtlichen Zwickmühle befände. Dem Generalkonsul Thomas Kessler seien die Hände gebunden: „Nach internationalem Recht können wir nur intervenieren, wenn eindeutig feststeht, dass sie deutsche Staatsbürgerin ist, doch dieser Nachweis konnte bis jetzt nicht erbracht werden.“

Auch andere Hilfsorganisationen für Flüchtlinge und Asylsuchende haben versucht, der Frau zu helfen und einen Anwalt zu stellen. Doch bis vor kurzem hat Anna sich geweigert, eine entsprechende Vollmacht zu unterzeichnen.

Eine eingehende ärztliche Untersuchung des psychischen Zustand Annas ist bis heute nicht erfolgt. Eine Sprecherin der australischen Einwanderungsministerin Amanda Vanstone teilte auf Anfrage mit, dass die Ministerin individuelle Fälle nicht kommentieren könne.

Die ehemalige Diplomatin Alanna Sherry, Koordinatorin der Menschenrechtsorganisation „ChilOut“, (Children Out of Detention) und Mitautorin des Berichts „A last Resort“ der HREOC stellt die Frage: „Wer ist Anna? Eine deutsche/österreichische/schweizer Touristin, die ihr Visum überzogen hat? Eine deutschstämmige Australierin, die nach einem traumatischen Erlebnis eine psychotische Episode durchmacht und in die Sprache ihrer Kindheit zurückgefallen ist? Anna gehört in ein Krankenhaus mit ärztlicher Betreuung, nicht in eine Einzelzelle mit bewaffnetem Wachpersonal. Hierbei handelt es sich um das letzte Glied in einer langen Kette von Beispielen, für die verheerenden Auswirkungen des australischen Systems der Zwangsinhaftierung, das vorschreibt jeden, selbst mental Kranke oder sogar Babys teilweise über Jahre in Hochsicherheitsgefängnissen wegzusperren, nur weil die Papiere nicht in Ordnung waren.“

Nach einer Entscheidung des höchsten australischen Gerichts kann die australische Regierung eine Person lebenslang in einem Internierungslager festhalten, wenn kein Ursprungsland festgestellt werden kann, in das man diese Person abschieben könnte. Stephen Kan zum Beispiel sitzt schon seit sieben Jahren in australischen Internierungslagern und wird wahrscheinlich sein Leben lang eingesperrt sein, ohne jemals ein Verbrechen begangen zu haben. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Schicksal Anna BX8311 erspart bleibt.

Informationen zur Identität Annas oder andere sachdienliche Hinweise bitte an Pamela Curr vom „Asylum Seeker Resource Centre“ in Melbourne 0061-41-7517075 oder per E-mail an pcurr@Netspace.net.au.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gratuliere, das ist der bei weitem am Besten deutschsprachigen Blogs den ich in letzer Zeit gesehen habe. Interessant, spannen und sehr persönliche Einblicke in das Leben eines Schrifstellers. Weiter so!

Marcus Starck hat gesagt…

Danke, das ist nett.

Was möchtest du trinken? ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich nehme Redback Bier ;-)

Aber ehrlich mir gefällt dein Blog ausgesprochen gut!

(Das kostet jetzt extra)

Marcus Starck hat gesagt…

Das Ganze geht zwar runter wie Öl und schmeichelt meiner sensiblen Schriftstellerseele, aber jetzt musst du aufhören. Ich kann mir das auf Dauer finanziell nicht leisen ;-)

Marcus