Mittwoch, 6. April 2005

Misogyn

Das Manuskript wäre ausgezeichnet, der Stil passe hervorragend zur Geschichte. Plot und Charakterentwicklung seien gut ausgearbeitet und im Prinzip handelt es sich bei 419 um eine runde Sache.

Wäre da nicht Thomas Hogen.

Der Protagonist sei zu misogyn angelegt. Der tragende Charakter in meinem neuen Roman 419 sei zwar hervorragend gezeichnet, nur muss er denn wirklich mit einem so schrecklichen Frauenbild ausgestattet sein. Ob ich auch so denken würde wie Thomas Hogen? So eine Lektorin eines größeren Verlages, der an dem Projekt interessiert ist.

Ja, Thomas Hogen ist misogyn angelegt. Er muss so sein, sonst funktioniert die Geschichte nicht. Thomas ist ein fiktiver Charakter, 419 eine erfundene Geschichte, mit realem Hintergrund zwar, aber definitiv Fiktion.

Wenn ich eine Geschichte über einen deutschen Soldaten schreiben würde, der die Hölle des Russlandfeldzugs durchlebt, würde ich ihn als sturen Nazi anlegen, der nach und nach an seiner politischen Anschauung zu zweifeln beginnt, jedoch vor sich selbst eben diese Zweifel verleugnet und sich selbst bis zum Schluss belügt.

Bin ich deshalb ein NAZI? Stehe ich rechts außen? Um Gottes Willen, nein!

Bin ich ein Frauenfeind, nur weil Thomas Hogen misogyn angelegt ist? Im Gegenteil. Ich liebe die Frauen ;-)

Das Schöne am Schreiben ist eben das Schaffen von neuen Welten, neuen Realitäten, Menschen, Charakteren, usw. Natürlich fließen reale Personen, reale Orte, reale Begenheiten in die Geschichten ein, die ich erzähle. Natürlich bezieht ein Schriftsteller seine Ideen aus seinem Erfahrungsschatz. Nichts desto trotz sind die Geschichten eben nur Geschichten.

Wenn ich schreibe, tauche ich in die von mir geschaffene Welt ein, werde zum Beobachter und berichte von meinen fiktiven Erlebnissen, schreibe sie auf. Die Personen entwickeln ein dynamisches Eigenleben, die Geschehnisse folgen meist nicht meinem Plan. »Die schwarzen Tränen der Sonne« zum Beispiel. Mittlerweile besuche ich den Protagonisten Peter Scott regelmäßig. Man kann wirklich toll mit ihm reden.

Peter erzählt mir viel aus seinem Leben, von Julia zum Beispiel, seiner Frau die nicht mehr bei ihm ist. Warum, konnte ich noch nicht herausfinden. Peter will es nicht nicht erzählen. Auch mir nicht. Wie es scheint sind Julia und ihr Sohn Ben bei einem Unfall umgekommen, während Peter für seine Zeitung irgendwelche Fotos in irgendeinem Krisengebiet schoß. Es kann auch sein, dass sie ihn einfach verlassen und den Jungen mitgenommen hat. Peter läßt sich dazu nicht aus. Ich schreibe auf, was er mir erzählt. (Wäre ich kein Schriftsteller würde ich mich spätestens jetzt selber in die Klapse einweisen.)

Mein größter Wunsch ist, dass meine Leser mir in diese Welten folgen können. Sie sollen die von mir geschaffenen Personen lieben, hassen, mit ihnen mitfühlen, mit ihnen lachen, weinen sich ärgern oder sich mit ihnen freuen. Sie sollen die Orte, die ich geschaffen habe, besuchen, sie sehen, fühlen, schmecken, hören, riechen. Sie sollen sich dort wohl fühlen, Angst haben, oder aufgeregt darauf warten, dass etwas passiert. Überrascht sein, wenn das was sie erwartet haben, dann doch nicht geschieht.

Ich will nicht mit Herzblut meine geheimsten Worte aufs Papier tropfen, sondern Bücher schreiben, die meine Leser vom Hocker fetzen und bis zwei Uhr Morgens wach halten. Bücher, aus denen man Erkenntnisse über andere, den Meisten noch unbekannte Welten, abringen kann. Wer weiß, vielleicht findet der Eine oder Andere auch sich selbst in den von mir geschaffenen Charakteren wieder und beginnt über sich aus einer anderen Perspektive nachzudenken.

Das und nur das will ich mit meiner Schreiberei erreichen!

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Haha. Das kenne ich. Ist wirklich erstaunlich, solche Kommentare von Leuten zu hören, die es besser wissen sollten. Dass Autor nicht gleich Protagonist ist, lernt man eigentlich im Deutschuntericht der siebten Klasse. Dennoch hält sich die gegenteilige Ansicht hartnäckig. Viel Glück.