Samstag, 9. April 2005

Lego und Literatur

Julian, mein sechsjähriger Sohn spielt gerne Lego mit seinem Freund Jake. Julian bewahrt seine Bausteine in einer großen Plastikkiste auf. Es macht einfach viel mehr Spaß den Inhalt dieser Kiste auf dem Boden seines Zimmers zu verteilen und dann in diesem Haufen nach den entsprechenden Teilen zu wühlen.

Jake dagegen kann mit diesem Chaos nichts anfangen. Er sortiert die Bausteine nach Größe und Farbe in eigens dafür vorgesehene Schächtelchen und Schubladen. Er hat genau definierte Regeln was wohin gehört. Jake verbringt Stunden damit sein Lego zu sortieren, während Julian einfach Spaß daran hat, damit zu spielen.

Diese Schächtelchen findet man auch in der Literatur. Besonders in Deutschland ist diese Sortierwut extrem ausgeprägt. Genres, Subgenres mit genau definierten Regeln; Kritiker aber auch Lektoren lieben ihre Schubladen. Nicht missverstehen, ich finde Jakes Ordungsliebe und seine strukrurierte Vorgehensweise völlig in Ordnung.

Nehmen wir mich als Beispiel. Ich bin Austro-Australier und habe die meiste Zeit meines Lebens in München verbracht. Ich lebe in Perth, schreibe jedoch in deutscher Sprache. Nach »Die schwarzen Tränen der Sonne« werde ich mein erstes englischsprachiges Manuskript in Angriff nehmen. Mein Debüt SexDotCom war ein dunkler Wirtschaftsthriller. Mich jetzt in eine Schublade zu packen fällt schwer. Bin ich ein deutscher Krimiautor, ein österreichischer oder ein australischer? Bin ich überhaupt ein Krimiautor, oder eher einer der dunkle Thriller fabriziert>

Ein anderes Beispiel. Buddy Giovinazzo. Sein Buch »Potsdamer Platz«. In welche Schublade passt es? Ist es Pulp, nur weil es in der Edition Pulp Master im Maas Verlag erschienen ist? Oder Hardboiled. Nein für Hardboiled fehlt der Detektiv. Ist es Noir? Ich finde »Potsdamer Platz« ist eine völlig abgefahrene Liebsgeschichte.

Als Frank Schätzing für seinen »Schwarm« der deutsche Krimipreis zugesprochen wurde, löste die Jury damit eine heftige Diskussion aus. Ist der »Der Schwarm« überhaupt ein Krimi oder was hat Schätzing da eigentlich geschrieben? In welche Schublade passt er.

Das Katalogisieren und Einordnen in die jeweiligen Schubladen überlasse ich Literaturwissenschaftlern und Kritikern. Natürlich auch Bibliothekaren und Buchhändlern, die ihrem Klientel einen Anhaltspunkt geben müssen, wo ähnlich strukturierte Bücher zu finden sind. Sie finden meistens daran genauso viel Spaß und Befriedigung wie Jake an einer sauber sortierten Lego Sammlung.

Wie Julian bevorzuge ich jedoch die große Legokiste. Wühlen und sehen was dabei herauskommt macht einfach viel mehr Spaß ...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Bravo Marcus! Großartige Stellungnahme. Kiritker lesen ohnehin immer an mir vorbei.

Alex